Zum Inhalt springen

3. Advent 2023, Frédéric Chopin

„Friedrich Franz Chopin

wurde am 1. März 1809 in Zelazowa Wola, einem sechs Meilen von Warschau gelegenen, dem Grafen Skarbek gehörigen Dorfe geboren.“
Als Fußnote hierzu ist vermerkt:


Sämmtliche Schriftsteller des Auslandes, welche Lebensbeschreibungen von Chopin veröffentlicht haben, machen unrichtige Zeitangaben über seine Geburt. Sogar auf dem Denkmale auf dem Père Lachaise in Paris ist das Jahr 1810 statt 1809 angegeben, ein Fehler, der längst hätte berichtigt worden sollen.“

Diese Zeilen sind zu lesen in dem spannend geschriebenen Buch „Friedrich Chopin – sein Leben und seine Briefe“ seines Freundes Moritz Karasowski aus dem Jahr 1877 (digital) im Internet Archive. Es führt uns durch Leben und Werk dieses bedeutenden polnischen Musikers des 19. Jahrhunderts. Mit wichtigen Einzelheiten, bedeutsamen Begegnungen und gleichzeitig einem Exkurs in die Geschichte der damaligen Zeit im östlichen Europa. Mit diesem Buch möchte der Verfasser tiefere Einblicke in die Entstehungszeiten „Chopin‘-scher Schöpfungen vermitteln, was nicht unerheblich für das künstlerische Schaffen Chopins ist.

Weiter über seine Jugendzeit ist im Buch zu lesen:
„Auf allen Gebieten der Wissenschaft, denen er oblag, war Friedrich bewandert. … Ausserordentliche Lebhaftigkeit des Charakters veranlasste ihn zu beständiger Thätigkeil und schärfte seinen angeborenen Witz, welcher sich alle Augenblicke in verschiedenster Weise zeigte. Wer zählt diese tausendfachen Streiche, die er fortwährend seinen Schwestern, seinen Mitschülern, sogar Personen reiferen Alters spielte?

Wie sehr Chopin sich auf seine Musik konzentrieren konnte, zeigt diese Geschichte, die zugleich ein anderes Talent aufzeigte.
„Wenn die Zöglinge seines Vaters zu viel Lärm im Hause machten, brauchte sich Friedrich nur an das Clavier zu setzen, um sofort die grösste Ruhe herbeizuzaubern. Eines Tages, als Professor Chopin nicht zu Hause war, entstand in der Pension ein furchtbarer Spectakel. Der anwesende Lehrer Barcinski wusste sich auf keine Weise Rath zu verschaffen; da trat Friedrich zum Glück für den bereits ganz nervös gewordenen Lehrer in den Saal. Ohne sich lange zu besinnen, ersuchte er die Lärmenden, sich zu setzen, rief Diejenigen, welche noch ausserhalb des Saales tobten, herein und versprach ihnen unter der Bedingung, dass sie keinen Lärm mehr machten, eine interessante Geschichte auf dem Clavier zu improvisiren. Sofort herrschte Todtenstille; Friedrich setzte sich an das Instrument und löschte die Lichter aus. (Er war seine Gewohnheit, im Dunklen zu improvisiren) Er erzählte, wie Räuber sich dem Hause nahten, wie sie auf Leitern durch die Fenster gestiegen, aber durch Unruhe im Hause verscheucht worden wären. Ohne Säumen wären sie in den tiefen, dunklen Wald geflüchtet und dort unter dem Sternenhimmel eingeschlafen. Er spielte immer zarter und leiser, als wenn er beabsichtigte, Kinder einzuschläfern, bis er entdeckte, dass seine Zuhörer endlich nach und nach entschlummert waren. Geräuschlos verliess der junge Künstler den Saal und schlich zu seinen Eltern und Geschwistern, die auf seine Bitte ihm mit Licht folgten. Nachdem die Familie Chopin über die verschiedenen Stellungen der Schlafenden gelacht hatten, setzte sich Friedrich wieder ans Piano und schlug einen durchdringenden Accord an, so dass Alle erschrocken auffuhren, ohne zu wissen, was geschehen. Ein herzliches Gelächter bildete das Finale des musikalischen Scherzes.“

Was im dreizehnten Kapitel „Über Chopin als Mensch“ zu lesen ist, sei hier nur als kurzer Auszug aufgezeigt.
„Sein Aesseres hatte etwas so Harmonisches, Angenehmes, dass der Blick gern auf ihm verweilte“ …Sein Gemüth war heiter, aber sein Herz voll träumerischer Sehnsucht“… „Er sprach selten und wenig über seine Empfindungen und scheute sich, dieselben zu zeigen, weil er sie nicht wollte missdeuten lassen.“
Zum Weiterlesen im dreizehnten Kapitel

Chopin als Musiker

„Chopin nimmt als schaffender Künstler eine aussergewöhnliche Stellung ein. …etwa wie Heine auf dem Gebiete der Poesie. Beide haben es verstanden, uns in der kleinsten Form vollendete Stimmungsbilder zu geben …“
liest man über den Componisten gleich zu Anfang des Vierzehnten Kapitels.
Was man sich ansonsten in mehreren Fachbüchern zusammensuchen muss über diesen Musiker, seine Werke, die übrigens im Anhang alle aufgelistet sind, die Geschichte Polens und Deutschlands und manches mehr; hier hat man es auf knapp über 400 Seiten. Ein Buch, nicht in trockener Theorie, sondern mit Schmunzeln an so mancher Stelle.
Der Verfasser dieses Buches Moritz Karasowski, ein guter Freund Chopins, muss wohl auch ein vortrefflicher Musiker gewesen sein. Seine Beschreibungen all der vielen Musikwerke könnten für jeden Musikliebhaber eine hilfreiche Fundgrube bedeuten, aus der zu schöpfen sich lohnt.
Chopin liebte sein Vaterland Polen über alle Maßen, auch dann noch, als er Polen verlassen musste und lange Jahre bis zum Tod in Frankreich lebte. Diese Tatsache ließ er stets auch in seinen Werken deutlich hervortreten.

„Unter seinen Werken für Clavier allein nehmen zunächst seine Sonaten als seine umfangreichsten Schöpfungen unser Interesse in Anspruch. … Ungleich grösseren Werth hat die Sonate in B-moll (Op. 35). Die Aengstlichkeit, welche sich im ersten Thema ausspricht, contrastirt glücklich mit dem üppig quellenden Gesang des zweiten Motivs. Einen solchen Trauermarsch, wie ihn dieses Werk enthält, konnte nur Der schaffen, in dessen Seele der Schmerz und die Trauer der ganzen Nation als Echo wiederklang!“

Sonate B-moll (Op. 35)
Mit Seong-Jin Cho am Klavier im Chopin Institut Warschau (21:03)

„Die viel leidenschaftlichere B-moll-Sonate (Op. 58) eignet sich vermöge ihrer glänzenden Ornamentik am meisten zum Concertvortrag.“ …

Sonate B-moll (Op. 58)
Mit Su Yeon Kim am Klavier im Chopin Institut Warschau (26:23)

Die Präludien
„In einigen derselben (z. B. E-moll und H-moll) hat er der Nachwelt wahre Perlen hinterlassen, die allein genügen würden, seinen Namen eines musikalischen Poeten unsterblich zu machen.“

Präludium E-moll
Mit Eric Lu am Klavier im Chopin Institut Warschau (2:14)

„Eine Vorliebe zeigte er für das Violoncell. Der elegische Klang dieses Instruments sympathisierte sehr mit seiner eigenen Natur.“… „und kurz vor seinem Tode die G-moll-Sonate (Op. 65), deren erster Satz von hervorragender Schönheit ist, für Pianoforte und Violoncell componirt.“

G-moll-Sonate (Op. 65)
Mit Maria João Pires, piano und Pavel Gomziakov, cello von 2008 (33:59)
Zu hören im YouTube channel der beiden Künstler.

Die Polonaisen
„Mit besonderer Vorliebe cultivirte Chopin die Tanzformen (Mazurken, Polonaisen, Walzer, Tarantelle, Krakowiak und Bolero); er war der erste, der dieselben wahrhaft idealisirte. Es ist schwer zu sagen, welcher unter der grossen Anzahl von Mazurken die Krone gebührt. …
… Ueber den Ursprung der Polonaise sagt der Volksmund Folgendes; Nachdem die Dynastie der Jagiellonen ausgestorben war, wurde Heinrich von Anjou, Sohn der Catharina von Medicis, der später unter dem Namen Heinrich der Dritte regierte, im Jahre 1573 zum König von Polen gewählt. Als er im folgenden Jahre nach Krakau kam und im Schlosse die Repräsentanten der Nation empfing, führten die Herren ihre Frauen, vor dem Könige defilirend, im langsamen Schritt nach dem Tacte der Musik. Bei jedesmaliger Wahl eines fremden Prinzen auf den Thron wiederholte sich diese Sitte, welche sich allmählig zu dem polnischen Nationaltanz „Polonaise“ entwickelte, der sich bis auf den heutigen Tag in Europa erhalten hat. In der schleifenden Bewegung der Polonaise liegt viel Ernst und Würde; das Drehen und Wechseln giebt das öffentliche Gemurmel und das bewegliche Leben des alten polnischen Adels nicht unzutreffend wieder. Man tanzte damals stets mit dem Säbel, „Carabella“ genannt. Der Fürst Michael Oginski war der erste, und nach ihm Kurpinski, die ihren Polonaisen einen künstlerischen Anstrich zu geben wussten, welcher ihnen selbst in der musikalischen Welt zu einem gewissen Erfolg verhalf; …bis sie schliesslich Chopin mit idealer Schönheit veredelt und wieder mit speciell polnisch – nationalem Gedankeninhalt erfüllt hat.“
… … Lesen sie einfach weiter im Vierzehnten Kapitel.

„Eine gesonderte Stellung nimmt die Phantasie-Polonaise in As-dur (Op. 61) ein. Sie soll das Bild der nationalen Streitigkeiten und Kämpfe schildern und endet daher mit einem pompösen, hymnusartigen Triumphgesang. Die feste Ueberzeugung Chopin’s von dem dereinst unausbleiblichen Siege der polnischen Nation nach so vielen harten Prüfungen — ein Gefühl, welches in der Dichtkunst von Mickiewicz, Krasinski und manchmal von Slowacki, den grössten damaligen Poeten, so trefflich geschildert ist — spricht sich in diesem seinem letztvollendeten grösseren Werke für Clavier allein, am klarsten aus.“

Phantasie-Polonaise in As-dur (Op. 61)
mit Kate Liu am Klavier im Chopin Institut Warschau (14:15)

… „Zu den herrlichsten und originellsten seiner Schöpfungen gehören die vier Balladen (Op. 23, 38, 47 und 52). … Einige haben sie für eine Abart der Rondoform gehalten, andere — und die traten der Wahrheit näher — nannten sie ,,Poetische Erzählungen“. … Die erste derselben in Ballade G-moll (Op. 23), wohl die verbreitetste, ist von wilder Leidenschaft durchglüht.“

Ballade G-moll (Op. 23)
Mit Aimi Kobayashi am Klavier im Chopin Institut Warschau (9:14)

Mit diesem Auszug seines umfangreichen Musikschaffens wünschen wir Ihnen einen schönen dritten Advent 2023!

Eine grüne Friedenstaube auf weißem Hintergrund, unser Zeichen für den Advent 2023

Quellen
Bild: gemeinfrei, Wikipedia
Internet Archive

Beitrag als PDF

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

DSGVO Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner