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Wie man zum Staatsfeind wird

(kriv) Gern erzähle ich etwas mehr zu meinem Mann und unserem Leben im damaligen Jugoslawien.

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Ende der 60er Anfang der 70er Jahre lag die Wirtschaft in Jugoslawien darnieder. Nach dem 2.Weltkrieg hatten die politischen Säuberungen begonnen. In den wenigen Firmen, die noch existierten, wurden immer mehr „verdiente Kommunisten“ in lukrativen Arbeitsplätzen eingestellt, während die Arbeiter für einen Hungerlohn schuften mussten, um der politischen Elite ein komfortables Leben zu ermöglichen.

Um an dringend benötigte Devisen zu kommen und den Arbeitsmarkt etwas zu entlasten, wurde beschlossen, den Arbeitssuchenden einen Pass auszustellen. Mein Mann, Josip Krivic, wurde 1929 geboren und wuchs zunächst in einem kleinen, dalmatinischen Bergdorf auf. Da er ein guter Schüler war, empfahl der Dorfpfarrer, den Jungen nach Zagreb zu den Salesianern ins Internat zu geben.
Kurz vor Kriegsende, die Kroaten kämpften gemeinsam mit den Deutschen gegen Serbien, wurde er noch Soldat. Bei Kriegsende flüchtete seine Einheit nach Österreich, wo sie später durch die Engländer an die serbische Armee ausgeliefert wurden. Das anschließende Massaker überlebte er nur aufgrund seines jugendlichen Alters. Nun kam er für 2 Jahre in Kriegsgefangenschaft.

In der Zwischenzeit hatte man seinen Vater, einem Regierungsbeamten, welcher Pässe ausgab, in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Er konnte aber rechtzeitig fliehen und untertauchen. Da es in kommunistischen Staaten Sippenhaft gab, wurde nun dem 17-jährigen Josip ein Schauprozess auf dem Viehmarkt in Zadvarje gemacht, wo er zu 8 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. In den jugoslawischen Gefängnissen gab es Folter, Scheinexekutionen und die politischen Häftlinge waren der Willkür der Kriminellen ausgesetzt. Man kann sagen, dass kein politischer Gefangener seine Haft ohne bleibende Schäden überlebt hat, falls er überhaupt überlebt hat.
1957 gelang ihm die Flucht über Italien nach Deutschland, wo er sich sofort der Emigrantenbewegung anschloss. Erst nach 32 Jahren konnte er seine Heimat wiedersehen.

Nachtrag.
Es gäbe sehr viel über meinen Mann zu erzählen. Aber wo fängt man an und wo hört man auf?
Vor einigen Jahren habe ich eine Autobiografie geschrieben. Es war eine Art Bestandsaufnahme. Dann habe ich alles zerissen und für mich war das Thema abgehakt, glaubte ich zumindest.
Jetzt bin ich etwas überrascht über das Interesse an meinem verstorbenen Mann. In seiner Heimat arbeitet zur Zeit der bekannte Künstler, Gugic, an einer Büste für meinen Mann, die man in seinem Heimatort aufstellen will und dabei galt er lange Zeit als Staatsfeind und Volksverhetzer.
So ist das Leben!

Elisabetha Krivic

Bild: Karte von 1962, Wikimedia, gemeinfrei

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