Zugegeben, vor einigen Wochen waren mir sowohl der Verfasser des Romans, Josip Krivić, als auch der Buchtitel „Ante Lipic“ völlig unbekannt. Erst die Mail mit dem Beitragsangebot ließ mich aufhorchen. Allein die Schilderung zur Entstehung dieses Buches machte mich neugierig, wurde doch hier aus einer Zeit berichtet, die ich selbst während meiner ersten Berufsjahre hier in Deutschland erlebt hatte.
Anfang der 1960er Jahre lernte auch ich als Mitarbeiterin in einem großen Eisen verarbeitenden Betrieb die Schwierigkeiten und Nöte der Menschen aus fremden Ländern kennen, die, bedingt durch den Arbeitskräftemangel in deutschen Betrieben, in vielen Ländern angeworben wurden, vornehmlich in Spanien, Italien, Griechenland und im damaligen Jugoslawien.
Wohnungssuche, Unterbringung in einfachen Gemeinschaftsquartieren, das Alleinsein in der Fremde ohne Familie und Freunde, Verständigungsschwierigkeiten durch unzureichende Sprachkenntnisse einschließlich der daraus resultierenden Missverständnisse machten den neu zu uns Gekommenen das Leben nicht gerade leicht. Im täglichen Umgang mit diesen Menschen am Arbeitsplatz wurde nur die Oberfläche dieser gesamten Problematik sichtbar. Wer jedoch Auge und Ohr für die kleinen Dinge geöffnet hielt, erfuhr schon etwas mehr.
Viele junge Männer erhofften, später einmal bessere Berufschancen im aufstrebenden Deutschland erhaschen zu können. Aber auch Familienväter nahmen die Beschwernisse einer Familientrennung auf sich, um hier im Westen das große Geld zu verdienen, das sie auch nur durch Arbeiten erlangen konnten; allein und ohne die Familie und zusätzlich nur mit der spärlichen eigenen freien Zeit. Denn jede Möglichkeit, einen „Groschen“ dazu zu verdienen, wurde wahrgenommen. Der Erlös diente in der Heimat oft als Grundstock für eine zukünftige Existenz. In dieser knappen Zeit gab es auch wenig Gelegenheit, sich hier heimisch zu fühlen, man wollte ohnehin so schnell wie möglich wieder nach Hause. Grund der Deutschen war, dem Arbeitskräftemangel abzuhelfen und die deutsche Wirtschaft wieder aufzubauen. Das gesamte deutsche politische Programm war auf Zeitarbeit ausgerichtet. Es wurde weniger bedacht, dass die Menschen aus fremden Ländern vielleicht hier für immer ihre Bleibe suchen wollten.
Die heutige Situation bezüglich Zuwanderung aus anderen Ländern in Deutschland stellt eine vollkommen andere Ausgangslage dar und muss aus einem anderem Blickwinkel betrachtet werden, worauf an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll. Eines ist sicher, wenn Menschen sich entschließen, das Heimatland zu verlassen, um für eine bessere Zukunft im Heimatland an einem anderen Ort der Welt das notwendige Geld zu erarbeiten oder aber eine eigene Existenz in einem fremden Land aufzubauen, können ungeahnte Widrigkeiten auftauchen, vor allem dann, wenn die neue Sprache nicht oder nicht genügend beherrscht wird. Sie alle nehmen große Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten auf sich, um ihr eigenes Auskommen und das ihrer Familien zu sichern.
Was lag nach der Buchankündigung näher, als mich bei dem Menschen zu erkundigen, der selbst auch viele Jahre dort gelebt hat, nämlich bei der Ehefrau Elisabetha Krivic, die ja auch den Roman übersetzt hat. Ich wollte etwas mehr über den Verfasser des Romans und die damalige Zeit in Jugoslawien erfahren, über die Verhältnisse dort und die Gründe, warum viele Menschen in den ersten 1960-er Jahren ihr Land verlassen haben. Frau Krivic berichtet im Beitrag „Wie man zum Staatsfeind wird“ über unselige Erfahrungen.
Margret Budde