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Aktuell: Erdbeben in derTürkei

Von wo aus wird das überfällige große Beben Istanbul treffen?

Die Meldungen vornehmlich mit negativem Inhalt rasen um den Globus, man hat kaum Zeit sich ihrer anzunehmen, sie zu verstehen, ihre Ursachen wirklich zu verstehen. Sind es heute die Waldbrände in Portugal, war es gestern das Erdbeben vor der türkischen Ägäisküste. Katastrophenmeldungen eben. Beim Beben kam es – diesmal – nur zu ganz geringen Schäden. Aber, so lehrt uns derzeit die Erdbeben-Forschung, wird es so wohl nicht bleiben. Warum ist das so?

Wenige Tage vor dieser Meldung kam nämlich aus der Wissenschaft dies:

Istanbul bereitet Erdbebenforschern große Sorge. In den nächsten Jahren rechnen sie mit einem Beben der Magnitude 7 oder größer. Entscheidend wird sein, wie stark die Erdkrustenplatten verhakt sind und wo genau das Beben seinen Ursprungsort haben wird. Ein Team um Marco Bohnhoff vom Deutschen GeoForschungsZentrum präsentiert jetzt eine Studie, die nahelegt, dass das nächste große Beben im östlichen Marmara-Meer vor Istanbul beginnen wird. „Das bedeutet eine gute und eine schlechte Nachricht, sagt Bohnhoff, „die Bruchausbreitung wird in östlicher Richtung verlaufen, also weg von Istanbul. Die schlechte Nachricht ist, dass es nur eine kurze Frühwarnzeit von wenigen Sekunden Dauer geben wird.“

Aber noch einmal zurück zum tatsächlich stattgefundenen Erdbeben vom 11.06.2017: Aus dem Helmholtz-Zentrum in Potsdam heißt es, es habe sich um ein sogenanntes Dehnungsbeben gehandelt, bei dem sich die obere Erdplatte in diesem Fall in Richtung Nord-Süd ausgedehnt habe. Das Epizentrum habe in zehn Kilometern Tiefe gelegen. Ein Beben in dieser Tiefe werde auch in mehreren hundert Kilometern Entfernung gespürt. Man müsse mit Nachbeben von einer Stärke bis 5 Grad rechnen. Beben dieser Art würden in dieser Gegend etwa zweimal im Jahr registriert.

Was aber nun kann man für die Zukunft erwarten? Wo genau wird es die Türkei treffen und was wissen eigentlich die Wissenschaftler.  Auf letztere Frage antworten diese, dass sie es eben nicht genau sagen können. Aber wenn es bebt, dann wohl heftig – ein Beben der Magnitude 7 oder größer. Und dass es Istanbul treffen kann, heftig sogar. Man muß sich einmal bewußt machen – 15 Mio. Menschen leben in der türkischen Metropole. Die Einschätzungen nun, die die Wissenschaftler in einer Studie dargelegt haben, gehen davon aus, daß der Grad der Verhakung im westlichen und im östlichen Teil der Bruchzone (zwei Erdplatten kriechen dort partiell ganz langsam aneinenader vorbei) unterschiedlich ist,  mit unterschiedlichen Folgen von Energiestau. Entladen sich im westlichen Teil die Verhakungen durch kleinere Erdstöße, die sich öfter wiederholen (das Erdbeben vom 11.06. war ein solches), stauen sich die im östlichen Teil, vor Istanbul, auf, die Platten dort scheinen komplett verhakt zu sein. Die Gefahr eines größeren Erdbebens nimmt zu. In einer Karte sieht das so aus:

Marmara-Region im Nordwesten der Türkei

Quelle: Christopher Wollin/GFZ – Helmholtz Centre Potsdam

Das Helmholtz-Centre erläutert diese Karte folgendermaßen: „Die Karte zeigt die Marmara-Region im Nordwesten der Türkei. Unterhalb des Marmara-Meeres verläuft die Nordanatolische Störungszone (rote Linie), entlang derer ein Erdbeben der Magnitude 7 oder stärker überfällig ist. Das letzte Beben hier fand im Jahr 1766 statt bei einer aus historischen Aufzeichnungen ermittelten mittleren Wiederkehrperiode von etwa 250 Jahren. Die schwarzen Linien zu beiden Seiten markieren die Bruchzone der beiden letzten Starkbeben der Region von 1912 (Ganos-Segment) und 1999 (Izmit-Segment). Die Sterne markieren die in der nun publizierten Studie gemessenen ‚repeater-Erdbeben‘, die auf ein Kriechen der Störungszone dort hinweisen, während der Bereich unmittelbar vor Istanbul verhakt ist (blauer Kasten).“

Einen Überblick über die Bruchkanten sieht man auf der folgenden Karte recht gut  (sie stammt aus einem Bericht zu einem  neuartigen Vermessungssystem, dass vor knapp einem Jahr vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel vorgestellt wurde Neue Hinweise auf hohes Erdbebenrisiko für Istanbul


Was passiert nun also, wenn es zu dem befürchteten starken Beben unterhalb des westlichen Marmarameeres  käme?  „Auch da gäbe es eine gute und eine schlechte Nachricht“, sagt Bohnhoff. Gut wäre eine etwas längere Frühwarnzeit, schlecht wäre der Umstand, dass die Bruchausbreitung dann in Richtung Istanbul erfolgen würde und es dort zu schwereren Erschütterungen kommen würde als wenn der Bruchbeginn weiter östlich läge. Die derzeitige Datenlage jedoch lässt das Gegenteil vermuten: ein Beben mit einem Epizentrum vor den Toren der Stadt, das den Menschen zwar nur wenig Zeit lässt, sich zu schützen, das dafür aber weniger starke Bodenbewegungen auslöst.

Soweit ein Auszug aus der Pressemitteilung des GFZ, die >> hier << in voller Länge nachzulesen ist.

Am Ende bleibt wie so oft zu konstatieren, daß die Katastrophe durch dieses Wissen nicht verhindert wird, aber sie wird verständlicher.

Ellen Salverius-Krökel

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